Nachruf

Foto von Peter Wennerhold (Foto  2023)

Peter Wennerhold

Peter Wennerhold †

FolkClub-Gründer verstorben

Im FolkClub-Team waren in den fast 50 Jahren seit Gründung des Vereins viele Menschen tätig, die Spuren hinterlassen haben. Einer, der den FolkClub Marburg in seiner Anfangszeit geprägt hat, war Peter Wennerhold, der am 2. Oktober gestorben ist.
Peter war tatsächlich einer der Gründerväter, wenn nicht sogar der Gründer des Clubs. Vorher gab es in Marburg nur kurzlebige Initiativen wie die „Marburger Musik Macher“, aber nachdem er im Rahmen seines Anglistik-Studiums ein paar Jahre Assistent Teacher in Edinburgh gewesen war, gründete er mit Gleichgesinnten wie Burkhard Schöning, Kerke Springer, Henning Smolka, Heinz Pfeiffer und anderen im Jahr 1976 den FolkClub Marburg, um der damals aufkommenden Folk-Begeisterung auch in Marburg eine Bühne zu bieten.

Die ersten FC-Konzerte fanden in Ermangelung eines eigenen Lokals in der Studiobühne, einer damaligen Spielstätte freier Theatergruppen in der Ernst-Giller-Straße, statt, von denen das allererste Konzert am 22.10.1976 mit Iain MacKintosh & Hamish Imlach gleich dermaßen überfüllt war, dass um 22.30 Uhr ein zweites – wieder ausverkauftes – Konzert angesetzt werden musste. Danach war man ein paarmal im etwas größeren Saal der ESG in der Rudolf-Bultmann-Straße zu Gast, auch im Haus der Jugend. Als dann der Kulturladen KFZ in der Schulstraße 6 eröffnet wurde, wurde auch der FolkClub zur Mitarbeit eingeladen. Hier bot sich ab 1977 die Gelegenheit, auf dem bei Veranstaltern eher unbeliebten Programmplatz Sonntagabend eine attraktive Veranstaltungsreihe zu etablieren.

Peter fungierte als Vorsitzender des eingetragenen gemeinnützigen Vereins FolkClub Marburg e.V., war aber auch aufgrund seiner persönlichen Liebhaberei und seiner Kompetenz in Sachen Folkmusik mehr als ein Primus inter pares. Durch gute Kontakte zu internationalen Konzertagenturen, aber auch zu Künstlerinnen und Künstlern direkt, die er in schottischen Clubs kennen gelernt hatte, schaffte er es, viele namhafte Musik-Acts auf die kleine Bühne im KFZ zu holen: aus Schottland Iain Mackintosh, Hamish Imlach, Alex Campbell, Cilla Fisher & Artie Trezise, Ed Miller, Dick Gaughan, Alan Roberts & Dougie MacLean, aber sogar auch bekannte Bands wie Ossian und die Battlefield Band (die sich über die Jahre fast zu einer Hausband des FolkClub entwickelte und einmal sogar, auf der Durchreise, spontan auf dem Marburger Abend auftrat). Aus England holte er Wizz Jones, Pete & Chris Coe, Mike Silver und Nic Jones, aus Wales John James und die Band Ar Log, aus Cornwall Brenda Wootton & Al Fenn und aus Irland Andy Irvine, Dolores Keane & John Faulkner und die Band Iona. Aber auch aus den USA kamen interessante Musiker und Musikerinnen ins KFZ: Derroll Adams, Gerry Lockran, Hedy West („500 Miles“) und Ramblin‘ Jack Elliott (von uns angekündigt als „der Sohn von Woody Guthrie und der Vater von Bob Dylan“).

Als Peter von Dezember 1979 bis März 1981 die Stelle des Zivildienstleistenden im KFZ besetzte – er war erst der vierte Zivi –, prägte er auch das Kulturprogramm des Ladens selbst, das sich zu dieser Zeit meist aus den Beiträgen der im KFZ arbeitenden Gruppen zusammensetzte. Bis 1990 gab es ja keine fest angestellten Hauptamtlichen im Laden, und so waren die Zivis diejenigen, die damals für die Planung und Durchführung von „KFZ-eigenen“ Theater-, Kabarett- und Musikveranstaltungen zuständig waren.
Das Folk-nahe Programm war nicht immer im Sinne aller KFZ-Team-Mitglieder, die Folk-Musik für unpolitisch und rückwärtsgewand hielten, aber Peter gehörte zu den politisch denkenden Aktiven im KFZ; er hatte einen dezidiert linken Standpunkt, aber natürlich – sonst wäre er im KFZ am falschen Platz gewesen – mit undogmatischem Ansatz. Er war einer von denen, die politische Liedermacher wie Walter Mossmann, Klaus der Geiger, Hanns-Dieter Hüsch, Rolf Schwendter, Christof Stählin, Eva-Maria Hagen mit Biermann-Programm und die frühen Stefan Stoppok und Heinz Rudolf Kunze in den FolkClub und damit ins KFZ holten, aber auch innovative Acts wie René Bardets Poesie & Musik aus der Schweiz.

Besondere Verdienste erwarb sich Peter durch die Initiierung des Marburger Abends, der freien Bühne des FolkClub, die er zusammen mit den anderen FC-Gründern nach britischem Vorbild aus der Taufe hob, und der am 10.7.1977 zum ersten Mal im KFZ stattfand. Hier wurde – und wird – lokalen und regionalen Amateuren die Chance geboten, vor Publikum zu performen, und so mancher ist nach diesen ersten Schritten auf der Live-Bühne schon in eine Karriere gestartet. Der Marburger Abend ist immer noch ein Dauerbrenner im KFZ-Programm – inzwischen über 330 Mal über die Bühne gegangen. In Peters Zeit fällt auch die Organisation des „Musikbasars“, einer XL-Version des Marburger Abends in der Stadthalle, der 1979 – und danach noch sechs Mal –durch das KFZ organisiert wurde.

Nach seinem Zivildienst arbeitete Peter einige Jahre als Manager von Musikgruppen und als Tournee- und Festivalveranstalter. Hier lag sein Schwerpunkt auf Gruppen wie den Marburgern Tänzers Traum, der Essener Band Lavendeltreppe, den Münchnern Farnhag, dem deutschen Harfen-Star Rüdiger Oppermann und anderen, die die Grenzen der traditionellen Folkmusik in Richtung Jazz, Rock, Ethno, Klassik etc. überschritten. Seine Agentur medial musik organisierte u.a. auch das Irish Folk Festival, aber aus seiner persönlichen Vergangenheit heraus war ihm die schottische Folkmusik immer ein besonderes Anliegen, weswegen er parallel zum bekannten irischen in den Neunzigern ein „Scottish Folk Festival“ auf Tour schickte. Später trat er dann doch noch eine Stelle in seinem eigentlich erlernten Beruf eines Gymnasiallehrers für Englisch und Politik an.

Peter Wennerhold ist am 2. Oktober, wenige Tage nach seinem 70. Geburtstag, gestorben, als Spätfolge eines Sturzes, nachdem er für die richtige Sache auf die Straße gegangen war, nämlich bei der großen Demo Ende Januar in Marburg gegen Rechts. Dass nun ausgerechnet sein politisches Engagement seinen viel zu frühen Tod nach sich gezogen hat, entbehrt nicht der Tragik.
Der FolkClub Marburg hat ihm sehr viel zu verdanken.

Gerd Wagner (ab 1978 Mitglied im FC, von 1981 bis 1994 Vorsitzender)